Eleni war zwölf Jahre alt und fühlte sich wie eine kleine Prinzessin, als sie ihr neues Outfit anzog, das sie gerade von ihren Eltern geschenkt bekommen hatte. Je höher die Sonne am Himmel hinaufstieg, desto mehr Gäste erreichten ihr Elternhaus. Ziegen wurden geschlachtet, um den Hunger der Anwesenden zu stillen. Und Eleni wurde das erste Mal ihrem zukünftigen Ehemann vorgestellt.
Sie war geschockt, als sie realisierte, dass sie heiratet. „Ich hatte Angst und war wütend, weil niemand mir gesagt hatte, dass ich heirate und meine Familie verlassen muss“, sagt Eleni.
„Ich hatte keine Zeit darüber nachzudenken, wie meine Heirat sich auf mein Leben und meine Träume auswirkt. Ich konnte noch nicht einmal mit meinen Eltern darüber reden. Die Hochzeitszeremonie war zu Ende, bevor ich realisierte, dass sie geschehen war.“
In Äthiopien ist Kinderheirat trauriger Alltag: Zwei von fünf Mädchen werden in der Regel vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet. In der Region Amhara, wo Eleni lebt, sieht es noch düsterer aus. Fast die Hälfte aller Mädchen wird zu Kinderbräuten, bevor sie ihr 15. Lebensjahr erreichen.
Frühes Heiraten ist eine tief verwurzelte Tradition in vielen äthiopischen Gemeinden, die von Armut gezeichnet sind, in denen es an Bildung und Arbeit fehlt und wo soziale Bräuche die Rechte von Frauen und Mädchen stark einschränken.
Elenis Eltern hatten finanzielle Nöte. Deshalb verheirateten sie ihre Tochter an einen fünf Jahre älteren Mann.
„Ich bin die Jüngste in meiner Familie. Meinen Eltern fiel es zunehmend schwer, genügend Geld für meinen Schulbesuch aufzutreiben“, sagt Eleni. „Sie wollten jemanden, der sich um mich kümmert und dachten, dass mein Leben mit einem Ehemann besser würde. Sie hatten die Hochzeiten meiner Geschwister arrangiert und nicht darüber nachgedacht, wie sehr eine frühe Heirat mein Leben beeinflussen würde.“
Eleni erklärt, dass ihr Ehemann und seine Familie sie gut behandelt hätten, aber mit zwölf Jahren verheiratet zu sein, sei einfach nichts für sie gewesen. „Ich habe meine Familie vermisst, war ständig müde von all der Arbeit im Haus und wollte wieder zurück zur Schule gehen.“
CARE unterstützt verheiratete Mädchen und Frauen durch Selbsthilfegruppen
„Ich hatte Angst, schwanger zu werden, sodass ich heimlich ins Gesundheitszentrum ging, um mir Verhütungsmittel geben zu lassen. Als mein Ehemann das herausfand, war er sehr wütend. Ich wusste sofort, dass ich das einfach nicht mehr kann.“
Glücklicherweise hat Eleni eine Selbsthilfegruppe für verheiratete Frauen von CARE aufgesucht. Die Treffen, die zweimal im Monat stattfinden, werden von einem ausgebildeten Gruppenleiter durchgeführt. Dort hat sie die Möglichkeit, mehr über sexuelle Gesundheit, Verhütung und die Versorgung von Neugeborenen zu lernen. Daneben gibt es Informationsrunden über Familienthemen und Partnerschaft. Ein anderer Vorteil für Eleni ist die Gelegenheit, andere Mädchen zu treffen, mit ihnen Probleme zu besprechen und neue Freunde kennenzulernen.
Die Selbsthilfegruppe ist Teil eines CARE-Programms namens TESFA. TESFA ist Amharisch und steht für „Hoffnung“. Ziel ist es, messbare, positive Veränderungen der wirtschaftlichen Situation und der sexuellen Gesundheit von Mädchen zwischen 14 und 19 Jahren zu erreichen. Zu den Aktivitäten gehört auch ein wöchentliches Radioprogramm zum Thema Kinderheirat. Auch die Aufklärung von Eltern, religiösen Führungspersönlichkeiten, Gesundheitspersonal und Lehrern über die Gefahren der frühen Ehe spielt eine große Rolle.
In der Selbsthilfegruppe lernte Eleni, ihre Kommunikationsfähigkeit zu verbessern. Das gab ihr schließlich das Selbstvertrauen mit ihren Eltern über ihre schwierige Situation zu sprechen.
„Wir sprachen darüber, welche Gefahr es für mich bedeutet, schwanger zu werden, bevor mein Körper überhaupt reif genug für das Austragen eines Babys ist. Und über Gefahren wie HIV/AIDS. Dann habe ich ihnen erzählt, dass Bildung der beste Weg für mich sei, sie zu unterstützen“, sagt Eleni.
Ihre Mutter Asmarech erinnert sich an den Moment, als Eleni ihren Eltern sagte, dass sie die Scheidung will: „Am Anfang war es sehr schwierig für uns zu verstehen. Nach einem sehr langen Gespräch akzeptierten wir aber ihren Wunsch“, sagt Asmarech.
Eleni und ihre Eltern haben dann mit ihrem Ehemann gesprochen, der in die Scheidung einwilligte. „Er war sehr traurig, aber er hatte Verständnis dafür, dass ich den Wunsch hatte, zur Schule zurückzukehren“, sagt Eleni.
Neue Perspektive: „Ich bin so glücklich, dass das TESFA-Programm in mein Dorf kam.“
Das war genau vor einem Jahr. Heute besucht die 14-jährige Eleni die 10. Klasse und konzentriert ihre Energie auf ihr Lieblingsschulfach Biologie, anstatt auf die Zubereitung von Mahlzeiten und die angeheiratete Familie.
Neben der Schule geht Eleni ebenso regelmäßig zu den Treffen der TESFA-Gruppe. Sie spart Geld durch die Hilfe eines Spar- und Darlehensprogramms, um ihren Traum, Krankenschwester zu werden, finanzieren zu können.
„Ich möchte einen Job haben, damit meine Familie ein besseres Leben führen kann. Und wenn ich älter bin, werde ich mir einen Ehemann aussuchen, der mich dabei unterstützt“, sagt sie.
Elenis Erfahrungen und positive Einstellung haben bei den Dorfbewohnern einen Dominoeffekt ausgelöst. Ihre Mutter und ihr Vater sind jetzt Gegner von Kinderheirat und klären andere Eltern über die Konsequenzen dieser gefährlichen Praxis auf. Elenis Geschichte hat anderen verheirateten Mädchen im Dorf das Selbstbewusstsein gegeben, für sich selbst zu sprechen, Unterstützung einzufordern und Kontrolle über ihr eigenes Leben zurückzugewinnen.
„Ich bin so glücklich, dass das TESFA-Programm in mein Dorf kam. Ohne das Programm in meinem Leben hätte ich niemals ich selbst sein können. Jetzt habe ich eine bessere Chance, glücklich zu werden“, sagt Eleni und lächelt dabei bis über beide Ohren.