Etwa 60 Menschen sitzen im CARE-Gemeindezentrum in Azraq, dem neu eröffneten Flüchtlingscamp im Norden Jordaniens. Sie sitzen auf braunen Plastikstühlen, tragen Anzüge, Trainingshosen, Lederjacken, Kleider oder traditionelle Gewänder. Sie sind mit dem gekommen, was sie am Körper trugen, als sie fliehen mussten. Sie waren Arbeiter, Juristen, Ärzte, Bauern, Lehrer oder Studenten. Sie hatten Arbeit, ein Haus, eine Wohnung – ein gutes Leben. Nach drei Jahren Bürgerkrieg in Syrien sitzen sie hier in Azraq, 90 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt, mitten in der Wüste. Sie lernen wie ihr Alltag, wie ihre Welt jetzt aussehen wird, in den nächsten Monaten oder Jahren, die vor ihnen liegen. Diese Menschen haben alles verloren. Yousef Filali ist einer der vielen CARE-Mitarbeiter, die jeden Tag Informationsveranstaltungen durchführen.
Ein Wegweiser für das Leben im Flüchtlingscamp
Sobald Flüchtlinge im Azraq-Camp ankommen, erhalten sie Informationen über das Leben im Camp: wo sie Lebensmittel erhalten, wie die Wasserversorgung funktioniert, wo sie medizinische Hilfe bekommen und wo es Schulen und Spielplätze gibt. Hazan unterstützt Yousef bei der Arbeit. Sie läuft durch die Reihen, beantwortet Fragen von Flüchtlingen und registriert sie. Hazan ist erst 20 Jahre alt und selbst syrischer Flüchtling. Sie kam vor zwei Tagen mit ihren Eltern und ihren vier Geschwistern in Azraq an. Vor über zwei Jahren musste ihre Familie ihre Heimatstadt Homs verlassen, seitdem haben sie in verschiedenen Regionen Syriens Schutz gesucht.
Wenn die Heimat zur Erinnerung wird
„Meine Heimat ist nur noch eine Erinnerung für mich. Ich vermisse nichts sehnlicher als in meinem eigenen Bett zu schlafen“, berichtet Hazan. Ihre Eltern hatten Angst sie oder ihre Schwester könnten vergewaltigt und ihre Brüder verhaftet werden. Gedanken an ihre Freunde und ihre alte Schule, die sie nur wenige Tage vor ihren Abschlussprüfungen verlassen musste, machen sie traurig. „Heute ist mein zweiter Tag bei CARE und ich fühle mich schon wesentlich besser. Ich habe hier eine zweite Familie gefunden.“ In Azraq hat sie sogar bereits Bekannte und Nachbarn aus Syrien getroffen. „Genau wie wir wollten sie Syrien nie verlassen, aber irgendwann kam der Punkt, an dem nichts mehr geblieben ist: kein Haus, kein Essen, nichts. Als ich in Azraq ankam, fühlte es sich ein bisschen nach Zuhause an. Jeder hier ist aus Syrien. Ich frage mich immer, ob überhaupt noch jemand in Syrien geblieben ist.“
Als eine von 16 CARE-Freiwilligen unterstützt Hazan die Informationsveranstaltungen, spricht mit neu angekommenen Flüchtlingen und registriert sie im CARE-Gemeindezentrum, falls sie weitere Hilfe benötigen. „Ich lerne sehr viel bei meiner Arbeit, aber wenn der Krieg vorbei ist, möchte ich etwas anderes machen. Mein Traum ist es, Pharmazie zu studieren. Ich möchte Menschen helfen, ihnen Medikamente gegen Schmerzen verschreiben und ihre Krankheiten heilen“, so die 20-Jährige. „Im Moment versuche ich noch seelische Wunden mit meinen Worten zu heilen. Ich gebe mein Bestes, um meinen syrischen Landsleuten zu helfen und ihr Leben ein bisschen leichter und lebenswerter zu machen.“