Internationale Hilfsorganisationen wie CARE betonen immer wieder, dass Frauen in Krisengebieten besonders gefährdet sind. Das ist vor allem dann der Fall, wenn sie nicht von einem männlichen Familienmitglied begleitet werden. Viele Frauen sind mit ihren Kindern auf sich alleine gestellt, nachdem ihre Männer im Krieg gestorben sind oder als vermisst gelten. Auch Mariam ist allein für die Sorge um ihre Familie zuständig, aber nicht weil ihr Ehemann als vermisst gilt, sondern weil er die Familie im Stich ließ.
Im Mai 2012 floh Mariam mit sechs ihrer sieben Kinder aus einem Dorf in der Nähe von Aleppo als eine Bombe ihr Haus traf. Eine ihrer Töchter war damals bereits verheiratet und blieb mit ihrem Ehemann zurück. „Als die Bombe das Haus traf, verließen wir sofort das Dorf“, erzählt Mariam. „Wir flohen in ein anderes Dorf, wo wir vorerst in Sicherheit waren. Dort blieben wir ein Jahr und sechs Monate, bis die Kämpfe uns erneut erreichten und wir abermals fliehen mussten.“ Als sich die Lage in Syrien weiter verschärfte, floh Mariam mit ihren Kindern in den Libanon. „Obwohl wir in Syrien umsonst wohnten und hier im Libanon jetzt Miete bezahlen müssen, war es unmöglich in unserem Heimatland zu bleiben, wir hatten keinen Zugang zu Strom, Wasser und anderen lebensnotwendigen Gütern. Im Winter regnete es viel, sodass unser Haus ständig unter Wasser stand. Hilfe gab es kaum. Wir hatten keine Chance zu überleben.“ Heute leben Mariam und ihre Kinder in Tripoli, der zweitgrößten Stadt im Norden des Libanon.
„Mein Ehemann arbeitete an der Universität. Er hatte einen sicheren Job und wir führten ein unbeschwertes Leben, bevor der Krieg kam“, so Mariam. „Als erstes wurde die Gegend, in der er arbeitete belagert, deshalb brach die Kommunikation zwischen uns ab. Als es dann auch zu Bombardierungen in unserer Nachbarschaft kam, war er zwar zunächst bei uns, verließ uns jedoch nach kurzer Zeit, um an seine Arbeitsstelle zurückzukehren. Er glaubte, dass er dort vor Angriffen besser geschützt sei“, berichtet Mariam. „Wir, seine Familie, schienen ihm völlig egal zu sein.” Mariam stritt mit ihrem Ehemann, flehte ihn an, sie mitzunehmen, aber er ließ seine Frau und Kinder allein zurück.“
„Meine größte Angst war, dass meinen Kindern etwas zustößt. Ich wollte sie in Sicherheit bringen, doch mein Mann dachte nur an sich selbst.“ Seit dem Mariam Syrien verlassen musste, hat sie keinen Kontakt mehr zu ihrem Mann gehabt. „Ich weiß nicht ob er noch lebt und ich verschwende auch keinen Gedanken mehr daran. Er hat uns im Stich gelassen. Wieso sollte ich mich, nach dem was er seiner eigenen Familie angetan hat, um ihn sorgen?“
Mariams älteste Tochter, die 23-jährige Ayesa, hätte unter normalen Umständen schon längst ihr Bachelor-Studium in Arabischer Literatur beendet. Doch dann kam der Krieg – sie musste ihr Studium abbrechen. Früher hat sie ihr Geld mit privaten Arabisch-Unterrichtsstunden verdient, heute nimmt sie jeden Job an, den sie finden kann, um ihre Familie finanziell zu unterstützen. „Ich habe schon als Kassiererin in einem Restaurant gearbeitet, in einem Bekleidungsgeschäft, in einer Fabrik, in einem Süßwarenladen“, zählt sie auf. „Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass ich einmal solche Berufe ausüben werde. Mein Traum war es Professorin zu werden. Ich war immer eine ehrgeizige Studentin und meine Noten waren ausgezeichnet. Nun erledige ich Arbeiten, die rein gar nichts mit meinem früheren Leben, geschweige denn mit meinem Studium zu tun haben. Aber wir sind auf das Geld angewiesen. Das Schwierigste für uns, junge syrische Flüchtlinge, ist, dass wir unser Studium aufgeben mussten und nun in eine ungewisse Zukunft blicken.“
CARE unterstützt syrische Flüchtlinge in verschiedenen Regionen im Norden des Libanons wie etwa in Tripoli. Vor Ort hilft CARE bei der Wohnungseinrichtung, der Reparatur von Wasser- und Sanitäranlagen und führt Workshops zur Hygieneaufklärung durch. „CARE-Mitarbeiter haben uns besucht und sind schnell auf unsere Bedürfnisse eingegangen“, erzählt Mariam. „CARE hat uns beim Ausbau der Küche und des Badezimmers geholfen. Es wurde ein Wasserboiler installiert, Wasserhähne, ein Toilettensitz, ein Wassertank sowie Rohre und ein Spülbecken angebracht. Doch außer von CARE und den Vereinten Nationen haben wir seit unserer Ankunft im Libanon keine weitere humanitäre Hilfe erhalten.“
Nur drei von Mariams sechs Kindern gehen zur Schule. „Diejenigen, die zu Schule gehen können, besuchen die Grundschule“, sagt Mariam. „Aber die Älteren können dem Unterricht nicht folgen, da der Lehrplan ganz anders als in Syrien ist.“ Mariam wünscht sich bessere Lebensumstände im Libanon. „Unser Haus ist in einem schlechten Zustand und wir haben häufig Probleme mit den Nachbarn“, berichtet die sechsfache Mutter. „Ich fühle mich hier in der Nachbarschaft unwohl. Ich möchte in eine andere Gegend ziehen. In eine Gegend, wo die Nachbarn einem entgegenkommen und wir freundlich miteinander umgehen.“