Singi Bomjan dachte er hätte bereits mehr erlebt, als in ein Menschenleben passt. Er hat ein starkes Erdbeben überstanden, sein ganzes Leben lang hart gearbeitet und viele Schwierigkeiten überwunden. In Banskhara, seinem kleinen nepalesischen Heimatdorf, sind drei Generationen seiner Familie geboren und gestorben. Gemeinsam haben sie das Land bewirtschaftet und ein zu Hause für ihre Kinder und die Kinder ihrer Kinder geschaffen.
Singi ist ein charismatischer und gutgelaunter Mann, gebeugt von den Jahren, die er auf dem Buckel trägt, aber noch immer rastlos und voller Energie. Sein genaues Alter hat er vergessen – wahrscheinlich um die 80 Jahre alt, schätzt er. An das erste Erdbeben, das er erlebte, kann er sich noch sehr genau erinnern. 1934 war das. Damals bebte die Erde nicht ansatzweise so schlimm wie im April 2015: „Diesmal hatte ich das Gefühl die Welt würde komplett auf den Kopf gestellt werden.“, berichtet er.
Seine Erzählungen über das Geschehene muss Singi immer wieder unterbrechen, weil seine Stimme von Tränen erstickt wird. Seine Tochter und sieben seiner Enkelkinder sind durch das Beben ums Leben gekommen. Von den Trümmern ihres eigenen Hauses wurden sie begraben, während Singi mit seinem Sohn und seiner Schwiegertochter draußen auf den Feldern gearbeitet hatte.
Singi ist einer von Nepals „Landlosen“, den sogenannten ‚Sukumbasi‘, die rund 25 Prozent der Bevölkerung des Landes ausmachen. Sie besitzen kein eigenes Land, sondern leben und wirtschaften auf dem Land von fremden Eigentümern, die sie dafür bezahlen müssen. Sukumbasi gehören zu den Ärmsten der Armen. Die meisten von ihnen leben in Unsicherheit und werden von der Gesellschaft ausgegrenzt. Häufig haben sie noch nicht mal Zugang zu den Rohstoffen, die sie selbst anbauen.
Zu Singis schweren, familiärem Verlust kommt auch ökonomische Angst. Als Angestellter muss er gemeinsam mit seiner Familie einen festgesetzten Ernteertrag einbringen und den größten Teil davon an seinen Arbeitgeber abgeben. Durch weniger Arbeitskräfte ist es für ihn und seinen Sohn kaum noch möglich den geforderten Ertrag zu ernten. Doch von all diesen Sorgen lässt Singi sich nicht unterkriegen. Neben dem Aufbau seines zerstörten Hauses flechtet er jeden Tag nepalesische Körbe, die er auf dem Markt verkauft. Mit den Einnahmen durch den Korbverkauf plant er Gelegenheitsarbeiter zu engagieren, die ihm helfen sollen die Felder zu bestellen.
CARE hilft Menschen wie Singi mit Bargeldauszahlungen. Dieses Geld ermöglicht Betroffenen selbst zu entscheiden was sie am dringendsten brauchen. Zusätzlich gibt CARE Betroffenen die Möglichkeit längerfristig Geld zu leihen, um Häuser und Existenzgrundlagen wiederaufzubauen. Über 1.110 Menschen plant CARE in den nächsten Monaten auf diesem Weg zu unterstützen.
Singi hat das Geld bereits fest verplant. Er möchte einen neuen Lagerschuppen für seine Ernte bauen, da durch das Erdbeben sein alter Unterstand komplett zerstört wurde. Von CARE erhielt er neben Bargeld auch Plastikplanen, Hygieneartikel und Saatgut. Über das Saatgut freut sich Singi am meisten: „Früher habe ich viel Blumenkohl angepflanzt. Ich weiß also wie ich damit umgehen muss“, erklärt er mit einem Lächeln.
Trotz allem, was er erleben musste, ist Singi ein zäher und robuster Mann geblieben. Er hat nicht lange gebraucht, um wieder zu lächeln. Weder sein fortgeschrittenes Alter noch das erlebte Unglück oder der lange, anstrengende Weg des Wiederaufbaus halten Singi davon ab weiterzumachen. Mit seiner Energie, seiner pragmatischen Art und seinem Sinn für Humor stellt er sich allen Hindernissen, die ihm begegnen, in den Weg.