„Als die Erde plötzlich bebte, hörte ich meine Nachbarn panisch schreien und Menschen hastig umherrennen. Während jeder verzweifelt versuchte, sich aus den einstürzenden Häusern zu flüchten, hatte ich große Mühe aufzustehen. Ich schaffte es gerade so auf die Beine zu kommen. Doch ein erneuter Stoß erschütterte das Haus, sodass ich sofort wieder zu Boden sank. Ich versuchte, die Treppen hinunterzulaufen, doch wieder bebte die Erde und ich stürzte hinunter. Ich bin 72 Jahre alt und nicht mehr ganz so schnell auf den Beinen. Durch den Sturz habe ich mir Verletzungen an den Beinen zugezogen. Trotz allem schaffte ich es -Gott weiß wie! - aus dem Haus zu gelangen, bevor es krachend einstürzte.“
Thali Lame gehört zu den hunderttausenden Menschen in Nepal, die durch das Erdbeben vom 25. April ihr Haus verlor. Nach Angaben der Regierung wurden mehr als 130.000 Häuser zerstört und rund 85.000 beschädigt. In dem Dorf Nallu im Katmandu-Tal, in dem auch Thali lebt, wurden 90 Prozent der Häuser zerstört oder stark beschädigt. Die alte Dame erzählt:
„Ich habe kein Dach mehr über dem Kopf. Mein Haus ist nur noch ein Trümmerhaufen und die letzten Nächte musste ich draußen auf dem Feld in Kälte und Nässe übernachten. Der Regen prasselte fast durchgängig auf mich ein und alles was mir blieb, war ein alter Regenschirm, an den ich mich klammerte. Nun habe ich große Angst. Die Monsunzeit steht kurz bevor. Wie soll ich bloß mein Haus wiederaufbauen, bevor die starken Regenfälle beginnen?“
„Die bevorstehende Monsunzeit macht uns große Sorgen“, erzählt auch Tom Newby, CARE-Experte für Notunterkünfte in Nepal. „Durch die starken Regenfälle könnten Nahrungsvorräte, die für die Winterzeit gedacht sind, kurzerhand vernichtet werden. Es ist ein Wettlauf gegen Zeit. Es werden dringend Notunterkünfte benötigt, die diesen Wetterbedingungen standhalten können und außerdem den Ausbruch von Krankheiten, die durch dreckiges Wasser übertragen werden, verhindern.“
In Thalis Dorf Nallu teilen ihre Nachbarn die Angst. Unzählige Menschen schlafen derzeit im Freien mit nichts als notdürftigen Decken und Plastikplanen ausgestattet. Sie benötigen umgehend Unterkünfte, nicht nur um sich selbst endlich im Trockenen zu wahren, sondern auch um die zu Neige gehenden Essensvorräte vor der Feuchtigkeit zu schützen.
CARE plant, 30.000 Menschen mit Nothilfe-Paketen zu unterstützen. Diese beinhalten regenfeste Planen, Seile und Werkzeugsets, die die Menschen vor Regen und Kälte schützen sollen. CARE war die erste Hilfsorganisation, die in das Dorf Nallu gelangte und auch für Thali war es seit dem katastrophalen Erdbeben vorherige Woche das erste Mal, dass sie Hilfe erreichte. Vor einigen Tagen wurden von der Regierung Hilfspakete verteilt. Doch Thali war zu alt, um die lange Strecke zu Fuß zurückzulegen. Nachdem sie mehrere Nächte im Freien auf dem kalten Boden verbracht hatte, war sie sehr dankbar, von CARE eine Matratze, Reis, und Trinkwasser zu erhalten.
Wie viele andere weiß Thali nicht, wie sie für die Kosten, die für den Wiederaufbau ihres Hauses anfallen, aufkommen soll. Sie besitzt eine Kuh, die ihr etwas Einkommen sichert, doch für die anfallenden Arbeiten an ihrem Haus wird das nicht ausreichen. In Fällen wie diesen wird CARE auch Unterstützung durch Bargeld leisten. Es scheint als seien Thalis Gebete für das Erste erhört worden, doch unzählige Menschen im Nepal harren noch immer in der Hoffnung auf Hilfe aus.