Nordirak: „Ich möchte meine Familie wieder glücklich sehen.“

Mit der Unterstützung der „Cash-for-Work“-Programme von CARE kann Elias, 66, seine Familie als Müllbeauftragter im Flüchtlingscamp Bersive ernähren.

Elias rückt seine Kopfbedeckung zurecht, schlüpft in feste Gummistiefel und ein Paar schützende Handschuhe und bahnt sich seinen Weg durch das Zeltlager für Vertriebene im nordwestlichen, kurdischen Teil des Iraks. Der 66-Jährige arbeitet als Müllsammler in einem von CARE unterstützten Sanitär- und Hygieneprojekt.

Flucht aus dem Sindschar-Gebirge

Als bewaffnete Gruppen im letzten August sein Dorf im Sindschar-Gebirge in der Provinz Ninawa überfielen, waren er und seine Familie – wie auch tausende weitere Angehörige der jesidischen Minderheit – gezwungen ihr Zuhause zu verlassen. „Wir haben unser Haus und unser Schaf, das Gold meiner Frau und all unser Erspartes zurückgelassen. Einfach alles. Wir sind neun oder zehn Tage lang gelaufen, praktisch ohne Wasser oder etwas zu essen“, erinnert sich Elias. „Die Kurden hier haben unser Leben gerettet. Wir sind ihnen sehr verbunden.“

Elias, der Alleinversorger

Großvater Elias ist für acht Familienangehörige verantwortlich. Neben seiner Frau Adoun und den vier Kindern versorgt er auch die Familie seines Sohnes. Dieser wurde bei einem Überfall auf ihr Dorf getötet und hinterlässt eine Frau und zwei Töchter, Sadia, acht, und Hazna, sieben Jahre alt. Sie alle sind jetzt auf ihn angewiesen. Auch deshalb ist Elias dankbar, dass er für CARE und die Partnerorganisation Harikar arbeiten kann. „Ich arbeite gerne. Am liebsten würde ich von acht Uhr morgens bis spät in die Nacht hinein arbeiten.“ 

CARE und Harikar zahlen Camp-Bewohnern, die sich an der Sauberhaltung des Lagers beteiligen etwa 18 Euro am Tag. Auf diese Weise können vorrangig solche Bewohner unterstützt werden, die wie Elias‘ Familie besonders stark von Armut bedroht sind. „Wir sind nun seit drei Monaten hier im Camp und ich musste sehr viel Geld für meine Medizin ausgeben“, erklärt er die finanzielle Situation der Familie. Im letzten Herbst wurde bei ihm Krebs festgestellt. Zwar wurde er operiert, doch die Kosten für die Medikamente sind weiterhin sehr hoch. „Von dem Geld, das ich verdiene, kann ich gerade einmal für meine Enkel sorgen.“

„Meine größte Sorge gilt meinem Mann“, erklärt Adoun, ebenfalls 66 Jahre alt, den Blick auf die zwei kleinen Enkelkinder gerichtet. „Elias sorgt für uns. Was würden wir tun, wenn ihm etwas zustößt?“

Elias möchte seine Familie wieder glücklich sehen. „Mein größter Wunsch ist, dass meine Enkeltöchter sich von all dem, was sie erlebt haben, erholen können“, erklärt er. „Ich hoffe, sie können wieder eine normale Kindheit haben.“ Er hebt sanft das Hemd seiner jüngsten Enkelin an, um mich auf eine große Narbe auf ihrem Bauch hinzuweisen. Verletzungen, die ihr die Kämpfer zufügten, als sie ihr Dorf überfallen haben. „Meine Frau, meine Kinder und Enkelkinder, sie alle sind traumatisiert. Der Krieg hat sie verändert. Ich wünsche mir so sehr, dass ich ihnen helfen kann, wieder glücklich und gesund zu sein.“

Bleibende Ängste und der Traum der Heimkehr

Auch heute noch sind die Erinnerungen an das Erlebte präsent. „Jede Nacht, wenn ich im Bett liege, habe ich die Männer vor Augen, die uns überfallen haben. Wir alle denken an sie, wenn wir schlafen. Wir denken an das, was uns zugestoßen ist und fragen uns, wie es nun weiter gehen soll…“, Elias Stimme bricht ab. „Oft liege ich bis vier Uhr morgens wach.“ Adoun nickt: „Nachts holen uns die Angst und die Erinnerungen ein. Wir hören ein Geräusch und schrecken aus dem Schlaf. Jeden Morgen müssen wir laut aussprechen: ‚Wir sind am Leben‘.“

„Diese Männer haben uns unsere Rechte, unseren Sohn, sie haben uns alles genommen. Wenn ich zurückdenke, wie wir einmal gelebt haben und unser Leben jetzt betrachte“, Elias schüttelt den Kopf. „Wir haben nichts mehr und gesund sind wir auch nicht mehr. Unser Leben wurde zerstört.“ Die Hoffnung darauf, eines Tages zurückkehren zu können, will er trotzdem nicht aufgeben. „Meine Heimat bedeutet mir alles“, sagt er mit Tränen in den Augen. „Bis zu meinem letzten Atemzug werde ich mein Land nicht vergessen. Wir denken jeden Moment an unsere Rückkehr.“

Das Leben im Camp ist schwierig. Die Menschen haben den harten Winter überlebt, doch nun steht ihnen ein unerträglich heißer Sommer bevor. Temperaturen bis zu 50 Grad gefährden die Gesundheit der Camp-Bewohner, die der Hitze größtenteils schutzlos ausgeliefert sind.

Durch „Cash-for-Work“-Programme, die Entsorgung von Abfall und die Reinigung von Latrinen, leistet CARE einen zentralen Beitrag zu einer funktionierenden Abfallentsorgung im Camp. Neben der Verteilung von Kerosin-Heizungen, Kraftstoff, Decken und Teppichen, unterstützt CARE die Bewohner außerdem mit Feuerlöschern und Lösch-Schulungen, die besonders in den trockenen Sommermonaten von großer Bedeutung sein können.