Südsudan: „Alles war verbrannt, verbrannt zu Asche“

Anlässlich des internationalen Tages der älteren Menschen trifft CARE-Mitarbeiter Tom Perry die etwa 70-jährige Mary. Was sie in den letzten Monaten durchmachen musste, ist unvorstellbar.

In einer Notsituation sind besonders ältere Menschen gefährdet. Durch Einschränkungen in ihrer Beweglichkeit und weniger Hör- und Sehvermögen sind sie oft nicht in der Lage, vor Angriffen zu fliehen. Auch die Beschaffung von Essen, Feuerholz oder Wasser machen ihnen Probleme, deshalb sind sie auf die Hilfe von anderen angewiesen. Viele ältere Menschen machen traumatische Erfahrungen durch Isolation und die Tatsache, dass sie nicht mehr in der Lage sind, ihr eigenes Geld zu verdienen.

Heute, am Internationalen Tag der älteren Menschen, trifft CARE-Mitarbeiter Tom Perry die rund 70-jährige Mary Mbek Anger, für die die letzten neun Monate zum Albtraum wurden.

Mary Mbek Anger weiß nicht genau, wie alt sie ist. Ohne Geburtsurkunde kann sie nur schätzen. Aber sie vermutet, dass sie so um die 70 Jahre alt ist.

Im Jahr 2007 begann Marys Sehvermögen plötzlich nachzulassen. Sie suchte einen Augenspezialisten in Kenia auf, aber ihr wurde gesagt, dass nichts für sie getan werden kann. Innerhalb weniger Monate verlor sie ihr gesamtes Sehvermögen. Seitdem muss sie sich auf die Unterstützung ihrer Familie verlassen, die für ihre Unterkunft und ihre Mahlzeiten sorgt. Trotz all dem sagt Mary heute, dass ihr Leben damals gut war.

„Vor dem Krieg hatten wir unser eigenes Hab und Gut, unser eigenes Leben", sagt Mary. „Ich war glücklich. Mein Mann und meine Kinder halfen mir, über die Runden zu kommen. Mein Mann kümmerte sich um die Tiere und wir bauten eine Menge Nahrungsmittel an."

Der grausame Bürgerkrieg erreicht Marys Heimatstadt

Doch an Heiligabend letzten Jahres änderte sich Marys Leben für immer. Am 15. Dezember brach ein Bürgerkrieg in Juba, der Hauptstadt des Südsudans, aus. Schnell verbreitete sich Gewalt über das gesamte Land. In nur wenigen Tagen brachen große Teile der südsudanesischen Staaten Jonglei, Unity und Upper Nile zusammen. An Heiligabend erreichte die Gewalt Marys Heimatstadt Panyang im Norden des Südsudans.

Mary und ihre Familie suchten Zuflucht in ihrem Haus und beteten, dass ihnen nichts zustoße. Doch nach wenigen Stunden kamen die Soldaten. Sie zündeten die Ernte und die Häuser an und schlachteten hunderte Tiere. Mary erinnert sich: „Alles war verbrannt, verbrannt zu Asche.“

Männer wurden zusammengetrieben und hingerichtet. Marys Mann – trotz seines hohen Alters und seiner Zerbrechlichkeit – versuchte Mary und die Familie in Sicherheit zu bringen. Er nahm Kinder und Enkel an die Hände und zog die Familie in den nächstgelegenen Busch. Tragischer Weise entschied er sich noch einmal zum Haus zurückzukehren, um einige Besitztümer wie den wichtigen Benzinkanister zu holen. Auf dem Rückweg wurde er von Soldaten gefangen genommen und zum Schrecken der Familie sofort erschossen.

Flucht durchs Gestrüpp

Die Familie versteckte sich bis zum Sonnenuntergang im Busch. Als es dunkel war begannen sie langsam damit, sich durch das Gestrüpp zu bewegen. Mary musste sich auf die Stimmen ihrer Familienmitglieder verlassen, damit sie den Weg finden konnte.

„Ich hörte nur, wie die Kleinen weinten und bin dann einfach dem Geräusch gefolgt."

Nachdem sie zwei Tage lang durch den Busch geschlichen waren, erreichte Mary mit ihren jungen Nichten das Flüchtlingscamp in Yida, nahe der sudanesischen Grenze. Dort mussten sie einige Wochen im Freien schlafen, bis ein Fremder ihnen etwas Platz auf dem Fußboden seiner Unterkunft gewährte.

Neun Monate später kann sich Mary ohne Hilfe kaum noch bewegen. Sie ist auf ihre Kinder und Enkel angewiesen, die die meiste Zeit betteln, Feuerholz sammeln oder in den umliegenden Büschen nach essbaren Pflanzen suchen. Ohne Ernte, Tiere und das Haus hängt ihr Überleben von der Güte anderer Menschen ab.

„Ich bin sehr traurig. Dieses Haus gehört mir nicht. Ich habe so viel verloren, auch meinen Mann," erklärt Mary. „Er war derjenige, auf dessen Hilfe ich mich verlassen habe, jetzt, wo ich vollständig erblindet bin. Er würde mir helfen, mir Essen bringen, mich beschützen. Jetzt habe ich überhaupt kein Einkommen mehr. Mir bleiben nur die Pflanzen aus den Büschen, die ich essen kann. Wir können nur betteln und auf die Menschen hier hoffen, die uns täglich helfen.“

CARE unterstützt Mary und ihre Familie mit Saatgut und Werkzeugen zum Anbau. Marys Familie hat bereits damit begonnen Gemüse, wie Zwiebeln, Tomaten und Auberginen anzubauen, in der Hoffnung genug Essen für die nächsten Monate zu haben und eventuell sogar ein paar Überreste auf dem Markt verkaufen zu können.

Mary und ihre Familie hoffen auf Frieden im Südsudan, aber ihre größte Sorge besteht darin, überhaupt durch den Tag zu kommen.

„Unsere Hoffnung ist überleben zu können. Ohne ein Zuhause, ohne Essen können wir nichts machen. Ich möchte einfach überleben, ich möchte ein Dach über dem Kopf haben und etwas zu Essen."

Seit dem Beginn der Gewalt im Südsudan Ende 2013 mussten rund 1,5 Million Menschen aus ihren Häusern fliehen, 480.000 von ihnen flohen in die Nachbarländer Äthiopien, Kenia, Uganda und den Sudan. Durch die massive Vertreibung, die Unsicherheit und den Konflikt könnte die Zahl der Hungerleidenden auf 3,9 Millionen Menschen ansteigen.

CARE stellt medizinische Hilfe, Zusatznahrung für unterernährte Kinder, Saatgut und andere Hilfsgüter bereit, für Familien in den am stärksten betroffenen Staaten des Südsudans; Unity, Upper Nile und Jonglei. Unsere geplante Hilfe ist derzeit nur zu gut 40% finanziert.